FACHKRÄFTEBEDARF IN DER GROßREGION
Hier finden Sie Informationen zu unserem Sonderthema " Fachkräfte – Schlüssel für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Großregion" . Die Studie ist Teil des Berichts zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Großregion 2014.
Kernaussagen der Studie zum Fachkräftebedarf finden Sie unten stehend, außerdem können Sie das gesamte Kapitel als pdf downloaden oder eine Online-Präsentation (Prezi) zum Thema aufrufen.
Allgemeine Ergebnisse
Nach einer detailierten Analyse lässt sich feststellen, dass ein großregionaler Arbeitsmarktausgleich als Lösung für Stellen- bzw. Ausbildungsplatzbesetzungsprobleme nur sehr eingeschränkt funktioniert, da sich in allen Teilgebieten ähnliche Probleme auftun – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau.
Zum einen sind in allen Teilregionen ähnliche Berufsfelder als problematisch eingestuft worden (Pflegebereich, pädagogische Berufsgruppen, technische Berufe, Handwerksberufe) – eine Erhöhung der Mobilität innerhalb der Großregion ist für diese Bereiche nur begrenzt machbar. Zum anderen besteht in allen Teilregionen ein Mismatch bezüglich des Qualifikationsniveaus – das heißt, die gut ausgebildeten Fachkräfte finden in der Regel in der eigenen Region eine Arbeitsstelle bzw. die ausreichend qualifizierten Schulabgänger finden in ihrer Heimatregion einen Ausbildungsplatz.
Das gemeinsame Problem besteht in allen Teilgebieten vor allem in einem zu großem Pool an Personen, deren Qualifikationsniveau zu niedrig liegt, um ohne Unterstützung in den Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt integriert werden zu können. So ist der relativ hohe Bestand an jungen Arbeitslosen in Lothringen oder der Wallonie nicht ohne weiteres in der Lage, die Bedarfe in den deutschen Teilgebieten oder in Luxemburg zu decken. Häufig sind diese Arbeitslosen zu gering qualifiziert. Ein Bestand an gering qualifizierten jungen Arbeitslosen findet sich zudem auch in den deutschen Regionen oder dem Großherzogtum. Die Qualifizierung solcher Personengruppen wie die sogenannten NEETs (erwerbslose Jugendliche, welche sich nicht in Schul-, Weiter- oder beruflicher Ausbildung befinden) stellt demnach für alle Teilgebiete der Großregion eine Herausforderung dar, welche bei der Bewältigung von Fachkräfteproblemen eine enorme Bedeutung zukommen könnte. Eine gemeinsame, großregionale Strategie in diesem Bereich zu entwickeln, stellt sich demnach als eine eigene Herausforderung dar.
Dennoch ist eine großregionale Zusammenarbeit zur Deckung des Fachkräftebedarfs vor allem im Bereich Bildung und Weiterbildung jedoch durchaus möglich und sinnvoll, beispielsweise über einen überregionalen Austauschprozess zwischen den arbeitsmarktrelevanten Akteuren über Konzepte, Maßnahmen, Programme etc., welche in den jeweiligen Regionen zur Fachkräftesicherung bereits ergriffen wurden bzw. geplant sind. Dies könnte für alle Teilgebiete der Großregion gewinnbringend sein. Ein Blick in die anderen Regionen kann wertvolle Hinweise liefern, wie verschiedene Herausforderungen bewältigt werden können sowie Überlegungen fördern, inwieweit diese Ansätze in andere Teilregionen oder die gesamte Großregion übertragen werden könnten.
Außerdem kann ein solcher Austauschprozess genutzt werden, um nach Ansätzen zu suchen, welche sich für eine gemeinsame Strategie zur Fachkräftesicherung in der Großregion eignen. Desweiteren sollten bereits erprobte und erfolgreiche Konzepte / Kooperationen weiter ausgebaut bzw. kontinuierlich weitergeführt und auf den gesamten großregionalen Kooperationsraum übertragen werden. Zum Beispiel:
- die Interregionalen Jobmessen bzw. European Job Days von EURES und den Arbeitsverwaltungen
- die grenzüberschreitenden Vermittlungsbüros von der Bundesagentur für Arbeit und Pôle Emploi
- die Rahmenvereinbarung über grenzüberschreitende Berufsbildung in der Großregion
- die grenzüberschreitenden französischen Schulen der 2. Chance (E2C-T)
Rheinland-Pfalz und Saarland
Aus einer umfangreichen quantitativen Analyse (siehe Vollbericht) lässt sich ableiten, dass aktuell kein allgemeingültiger Arbeitskräfte- bzw. Fachkräftemangel in einem der beiden Bundesländer vorliegt. Für einige Berufsbereiche bestehen jedoch im Hinblick auf die zukünftigen demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen Handlungsbedarfe.
Über verschiedenen Ansätze wurden immer wieder ähnliche Berufsbereiche als problematisch ausgemacht. Dies betrifft im Dienstleitungssektor insbesondere die Pflegeberufe: Zum einen ist hier heute schon das Verhältnis zwischen Offenen Stellen und Arbeitssuchenden relativ knapp sowie die Vakanzzeiten hoch; zum anderen wirkt der demografische Wandel auf ein starkes Wachstum des Gesundheitswesens und der dort benötigten Arbeitskräfte hin. Zudem stehen viele Pflegefachkräfte aus gesundheitlichen oder familiären Gründen oder auch auf Grund schlechter Arbeitsbedingungen dem Arbeitsmarkt vorzeitig nicht mehr zur Verfügung. Ein Berufsfeld, welches deutschlandweit bald auch einem erhöhten Bedarf an Fachkräften ausgesetzt sein könnte, betrifft die pädagogischen Berufsgruppen. Werden auf Grund des seit 2013 bestehenden Rechts auf einen frühkindlichen Betreuungsplatz zukünftig entsprechende Einrichtungen ausgebaut, steigt voraussichtlich auch der Bedarf an Fachkräften in diesem Bereich. Nach einer Studie vom Deutschen Jugendinstitut und der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendstatistik der TU Dortmund zählen sowohl das Saarland als auch Rheinland-Pfalz hierbei zu den Bundesländern mit erheblichem Handlungsbedarf.
Neben diesen Dienstleitungsberufen sind Handlungsbedarfe in technischen Berufen auszumachen: Anzeichen für Engpässe sind hier insbesondere bei höher qualifiziertem Personal, wie Ingenieure und Mechatroniker sowie speziell für Rheinland-Pfalz im Bereich der Chemie festzustellen. Auch liegt der Anteil der älteren Beschäftigten, die in den kommenden 15 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden wollen, in diesen Berufsbereichen zum Teil relativ hoch. Für beide Bundesländer sind diese Berufe aufgrund der Wirtschaftsstruktur und des sektoralen Strukturwandels von enormer Wichtigkeit. Insbesondere für die saarländische Industrie mit deren starker Konzentration auf die Automobil- und Fahrzeugindustrie sind Techniker und Ingenieure ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit. Für Rheinland-Pfalz mit dem wirtschaftlichen Schwerpunkt in der chemischen Industrie sind darüber hinaus die traditionellen naturwissenschaftlichen Berufe wie Chemiker, Physiker und Mathematiker von großer Bedeutung.
Wallonie und DG Belgien
Im Gegensatz zu den deutschen Regionen ist der Fachkräftebedarf oder -mangel in der französischsprachigen Wallonie kein breit diskutiertes Thema. Nichtsdestotrotz gibt es auch in den belgischen Regionen Berufe, bei denen es Probleme mit der Stellenbesetzung gibt. In der deutschsprachigen Gemeinschaft ist das Thema Fachkräftebedarf in der öffentlichen Diskussion von größerer Relevanz.
Aus den Analysen lässt sich kein allgemeingültiger Engpass an Arbeitskräften feststellen, dennoch gibt es auch in den beiden belgischen Regionen Berufsfelder, bei denen Probleme bei der Stellenbesetzung auftauchen. Aus den Analysen geht hervor, dass dies – ähnlich wie in den beiden deutschen Regionen – sowohl Pflegeberufe als auch technische Berufsgruppen umfasst. Zusätzlich lassen sich Probleme in einigen klassischen Handwerksberufen erkennen.
Auch aus belgischer Arbeitgebersicht liegen Probleme bei der Stellenbesetzung vor allem bei den technischen Berufen (Techniker, Handwerker, Ingenieure) und bei den Krankenpflegekräften, wie aus den Umfragen von Manpower aus den Jahren 2013 und 2014 hervorgeht. Das Gesundheitswesen wächst seit Jahren kontinuierlich und wird dies – aus demografischen Gründen – voraussichtlich auch zukünftig tun. Aufgrund eines relativ hohen Altersdurchschnitts in den Gesundheitsberufen ist zudem mit einem großen Ersatzbedarf zu rechnen. Die Nachfrage nach Fachkräften (Erweiterungs- und Ersatzbedarf) wird demnach in diesem Sektor stark ansteigen. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der le Forem-Studie zu den Zukunftsberufen: sie prognostiziert für den Gesundheitssektor sowohl das Entstehen von fünf neuen, relevanten Berufsbildern, als auch einen steigenden Bedarf an Pflegefachkräften, Physiotherapeuten und Ärzten.
Auch im industriellen Bereich können – trotz Bedeutungsverlust der Industrie für die Beschäftigung – aufgrund eines erhöhten Ersatzbedarfs, Handlungsbedarfe zur zukünftigen Sicherstellung an Fach- bzw. Arbeitskräften entstehen. Zusätzlich sind im Bausektor Handlungsbedarfe zu erwarten. Insbesondere in der DG Belgien ist die Stellenbesetzungsquote im Bausektor wesentlich geringer als im Durchschnitt; zudem bezieht sich die größte Anzahl an offenen Stellen in der DG Belgien auf den Bau und das Baunebengewerbe. Le Forem erwartet vor allem Potenziale für Berufe, die im Zuge der energetischen Gebäudesanierung den Baubereich und den Energiesektor verbinden.
Lothringen
In Lothringen ist kein Arbeitskräftemangel zu beobachten. Lediglich in Zeiten guter konjunktureller Phasen treten in bestimmten Gebieten, bei bestimmten Berufen oder in einzelnen Wirtschaftszweigen „Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung“ auf. So sind zum Beispiel das Baugewerbe, das Gastgewerbe oder auch der Logistiksektor häufiger von Problemen bei der Rekrutierung von Arbeitskräften betroffen als andere Sektoren. Schwierigkeiten sind sowohl bei den Stellen mit geringen Qualifikationsanforderungen als auch bei den Stellen mit hohen Qualifikationsanforderungen zu verzeichnen.
Aus der Liste zu den „kritischen Berufen“ (métiers en tension), welche von der französische Arbeitsagentur Pôle Emploi unter Abstimmung mit dem Regionalrat Lothringen und Direccte erstellt wird, geht hervor, dass die kritischen Berufe insbesondere in den Bereichen Baugewerbe und öffentliche Bauprojekte und Industrie sowie in Berufen im Gesundheitswesen, Handel und in der Unternehmensführung zu finden sind. Diese Engpässe blieben bestehen, obwohl die Arbeitslosigkeit steigt und bestimmte Berufe auch den Geringqualifizierten offen stehen. Sie existieren bei den expandierenden Berufen ebenso wie bei den Berufen, in denen die Beschäftigtenzahlen sinken. Neben der Liste der kritischen Berufe, kann aus einer Erhebung der Arbeitsagentur Pôle Emploi bei den lothringischen Unternehmen zu deren Einstellungsvorhaben auf „Arbeitskräftebedarfen“ in Lothringen geschlossen werden. Schwierigkeiten bei der Personalbeschaffung wurden hier insbesondere in Dienstleistungsberufen im Bereich Pflege, Gastronomie, Sozialarbeit sowie in Vertreterberufen; aber auch in Handwerks- und technischen Berufen ausgemacht. Allerdings weist die Erhebung etliche Defizite auf (keine Auskunft über das angebotene Stundenvolumen der Stellen, kaum Vergleiche zwischen den gemeldeten Bedarfen und der Effektivität der Einstellungen).
Luxemburg
In Luxemburg wird das Thema des Arbeits- bzw. Fachkräftebedarfs nicht breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Auch werden keine Monitorings oder Listen zu möglichen Mangelberufen erstellt. Solche Prognosemethoden sind für Luxemburg auch eher ungeeignet, da Bedarfe an Arbeits- oder Fachkräften größtenteils von Grenzgängern oder Einwanderern gestillt werden.
Der Dachverband luxemburgischer Arbeitgeber UEL erachtet die Zuwanderung als notwendig, um den Bedarf der luxemburgischen Unternehmen an Arbeitskräften bezüglich Anzahl und Qualifikationen abdecken zu können. Er sieht Handlungsbedarfe u.a. im Handwerk, Straßentransport und Horeca-Sektor sowie insbesondere in Bezug auf höhere qualifizierte Arbeitskräfte im Bereich der Industrie und der Finanzdienstleistungen. Dieser Bedarf an höher qualifiziertem Personal wird in erster Linie über Grenzgänger abgedeckt, während der Bedarf an niedriger qualifizierten Arbeitskräften durch Einwanderung und insbesondere durch die portugiesische Gemeinschaft in Luxemburg ausgefüllt wird. Da sich das Qualifikationsniveau der nachrückenden portugiesischen Generationen aber voraussichtlich erhöhen wird, könnte in den nächsten Jahrzehnten ein Engpass an gering qualifizierten Arbeitskräften in Luxemburg auftreten. Die luxemburgischen Handwerkskammer (Chambre des Métiers) weist zudem daraufhin, dass das Handwerk zunehmend von den Grenzgängerströmen aus der Großregion abhängig wird.
Umfragen des Arbeitgeberverbandes FEDIL bei Unternehmen im Industrie- und IKT-Bereich kommen zu dem Ergebnis, dass es im Bereich IKT zu Einstellungsproblemen bei höher qualifiziertem Personal in den Berufsbereichen der Analyse, Entwicklung und Wartung von Software sowie Analyse, Entwicklung und Verwaltung von Informatiksystemen sowie bei Kundendiensten (z.B. Programmierer und Entwickler) kommen könnte. Außerdem prognostiziert die Umfrage im Bereich Bau und Industrie, dass im Bereich Verwaltung, Management, Handel insbesondere Büroangestellter, Sekretär, Telefonist, Buchhalter gesucht werden; im Bereich der technischen Berufe überwiegend Elektromechaniker, Energieelektroniker, Zerspanungsmechaniker und Maschinenbauingenieur; sowie im Bereich Produktion vor allem Fertigungsvertreter, Maurer und Hilfsarbeiter.
Unbestreitbar sollte die Antizipation der benötigten Qualifikationen und Arbeitskräfte in Luxemburg in enger Abstimmung mit dem Rest des Kooperationsraums stattfinden. Angesichts der Verflechtung der Arbeitsmärkte der Großregion sollte die großregionale Komponente weiter entwickelt werden. Schließlich ist die ganze Großregion von der Existenz eines Landes gekennzeichnet, dessen Arbeitsmarkt stark von seinen Nachbarn abhängig ist. Ein weiterer Grund sind die Ausbildungsplätze, die bei den Partnern der Großregion verfügbar sind, aber aufgrund mangelnder Kenntnisse der Sprache des Nachbars oder Schwierigkeiten bei der Anerkennung oft unbesetzt bleiben.
Übersicht bestehender grenzüberschreitender Initiativen
Neben den Aktivitäten auf regionaler Ebene, besteht bereits eine ganze Reihe an Maßnahmen und Projekten auf großregionaler bzw. grenzüberschreitender Ebene, die zur Deckung des großregionalen Fachkräfteangebots beitragen könnten.
Die Liste (siehe download) erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zunächst werden Maßnahmen im Bereich Ausbildung aufgezeigt. Es folgen Aktivitäten im Bereich Berufsberatung, Vermittlung und Beschäftigungsmobilität. Anschließend wird auf Maßnahmen in den Bereichen Weiterbildung, Austauschprogramme sowie Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse eingegangen.
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