Anzahl der Einpendler aus Frankreich: Trotz eines Anstiegs im Jahr 2023 nimmt die Zahl der Grenzgänger langfristig weiter ab
Mitte 2023 pendelten 14.226 Arbeitskräfte aus Frankreich täglich zu ihrem Arbeitsplatz im Saarland. Im ganzen ist das Volumen dieses Einpendlerstroms seit 2000 weiter gesunken (-34 %, d. h. ein absoluter Rückgang um 7.303 Personen). Dieser Rückgang wird hauptsächlich von typischen Grenzgängern (-5.847 Personen), weniger von den atypischen Grenzgängern mit deutscher Nationalität (-1.452 Personen) verursacht.
In den Jahren 2012 und 2013 verzeichnete das Grenzgängerwesen an der Saar noch starke Einbußen (-3,5 % bzw. -4,0 %). Die Rückgänge dieser Jahre erreichen demnach in etwa die Größenordnung von -4,1% auf dem Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009, als sowohl die Wirtschaft stark einbrach (-9,8 %)[1] als auch die Gesamtbeschäftigung im Saarland abnahm (-0,8 %)[2]. Die hohen Minuswerte der Einpendlerströme aus 2012 und 2013 lassen sich nur bedingt über Arbeitsmarktdynamik erklären: die Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt stieg auf einem niedrigen Niveau weiter an (2012: +1,7 %; 2013: +0,1 %).[3]
Der Blick auf die Grenzgängerzahlen früherer Jahre bestätigt, dass der Rückgang der französischen Einpendler nicht hinreichend über konjunkturelle oder kurzfristige Entwicklungen erklärt werden kann, sondern tiefer gehende Veränderungen stattgefunden haben müssen: Die Zahl an Einpendlern aus Frankreich ins Saarland geht bereits seit 2001 kontinuierlich zurück. Die Betrachtung der Entwicklung zwischen 2000 und 2023 weist einen Abbau des französischen Einpendlerstroms um 34 % bzw. 7.303 Personen aus. Im gleichen Zeitraum hingegen hat die Gesamtanzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Saar um 10% zugelegt. Der Anteil der Grenzgänger an der Gesamtzahl an beschäftigten Arbeitnehmern im Saarland betrug im Jahr 2023 somit noch lediglich 3,6 % (2000: 6 %).
Im Jahr 2020 ein historischer Rückgang der französischen Grenzgänger im Saarland
Zwischen 2019 und 2020 ist die Zahl der Einpendler ins Saarland aus Frankreich um 9,1 % bzw. 1.469 Personen zurückgegangen. Dies ist der höchste Rückgang, der seit 1992 zwischen Frankreich und dem Saarland zu verzeichnen ist. Betrachtet man die Grenzgänger nach Staatsangehörigkeit, so zeigt sich, dass insbesondere Personen mit einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit einen Rückgang der Beschäftigtenzahlen zu verzeichnen hatten (-10,6 %), während sich der Rückgang bei den Grenzgängern mit deutscher Staatsangehörigkeit - also den atypischen Grenzgängern - auf 5,0 % beschränkte. Ab 2021 werden die Entwicklungen jedoch wieder auf ein ähnliches Niveau wie vor der Krise zurückfallen (-3,7 % in 2021 und -1,6 % in 2022).
[1] Veränderung der Bruttowertschöpfung im Jahre 2009 im Saarland zum Vorjahr. Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder
[2] Veränderung der Arbeitnehmerbeschäftigung im Jahre 2009 im Saarland zum Vorjahr. Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder
[3] Quelle: Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit
Im Saarland beschäftigte Grenzgänger aus Frankreich 2000-2023 (jeweils zum 30.06.)
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: BA
Nach vielen Jahren des Rückgangs des Kontingents an Grenzgängern aus Frankreich im Saarland ist im Jahr 2023 ein Anstieg der Zahl der Grenzgänger um 230 Personen zu verzeichnen, was einem Zuwachs von 1,6 % entspricht. Erst 2015 (+1,1 %) und 2011 (+0,4 %) gab es wieder einen Anstieg. Dann noch weiter zurück im Jahr 2001 mit +5,3 %. Hinter diesem Anstieg verbergen sich jedoch erhebliche Unterschiede zwischen typischen und atypischen Grenzgängern, d.h. Grenzgängern mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die positive Entwicklung im Jahr 2023 ist ausschließlich auf die Zunahme der Zahl der atypischen Grenzgänger zurückzuführen: 259 zusätzliche Personen, d.h. +6,8 %, stehen einem Rückgang um 28 typische Grenzgänger (-0,3 %) gegenüber. Diese Dynamik beruht somit eher auf einer "Verlagerung" deutscher Erwerbstätiger von Deutschland nach Frankreich als auf einem tatsächlichen Anstieg der Grenzgängerzahlen. Dies wirft die Frage auf, warum so viele deutsche Arbeitnehmer nach Frankreich ziehen, da erst 2005 ein derartiger Anstieg der atypischen Grenzgänger zu verzeichnen war (+ 269 Personen).
Mehr als jeder vierte Grenzgänger aus Frankreich ist Deutscher
Bei der Betrachtung der Entwicklung des französischen Grenzgängerstroms ins Saarland sind die Unterschiede zwischen atypischen und typischen Grenzgängern zu berücksichtigen. Unter den einpendelnden Personen aus Frankreich befanden sich 2023 ca. 4.078 Deutsche. Diese sogenannten atypischen Grenzgänger machten somit 28,7 % des Einpendlerstroms aus. Deren Anteil lag damit auch über 10 Prozentpunkte höher als im benachbarten Bundesland Rheinland-Pfalz (17,5 %). Dies lässt sich über eine lange Tradition der Wohnmigration im Gebiet um die saarländisch-lothringische Grenze erklären, deren Wurzeln bis zu Beginn der 1960er Jahre zurückreichen.[1] Die grenzüberschreitende Wohnortmobilität nahm besonders in den 1990er Jahren kontinuierlich zu.[2] Anlass für den Wohnortwechsel waren vor allem die attraktiven Grundstücks- und Immobilienpreise in Lothringen, welche auch erwerbstätigen Deutschen mit relativ geringem Einkommen die Möglichkeit boten, Wohneigentum mit relativ großer Fläche in einem eher dörflichen, erholsamen Lebensumfeld zu erwerben, von wo aus weiterhin der an-gestammte Arbeitsplatz in der Heimatregion erreicht werden kann. Neben der gut ausgebauten Straßeninfrastruktur und den finanziellen Vorteilen durch den Status als Grenzgänger wurde dieses grenzüberschreitende Mobilitätsmuster auch dadurch begünstigt, dass – zumindest damals – auf französischer Seite vielerorts noch der regionale germanophone Dialekt gesprochen wurde. Vor diesem Hintergrund hat sich die Zahl der Deutschen, die in Frankreich leben und im Saarland arbeiten, zu dieser Zeit stark erhöht. Seit 2011 ist jedoch festzustellen, dass sich von Jahr zu Jahr weniger Deutsche dafür entscheiden, auf der französischen Seite der Grenze zu wohnen, um in ihrem Herkunftsland zu arbeiten. Das Jahr 2023 stellt jedoch einen Bruch in dieser Dynamik dar, da hier ein Anstieg der Zahl der atypischen Grenzgänger in einem seit 2005 nicht mehr erreichten Ausmaß zu beobachten ist.
Atypische und typische Grenzgängerströme entwickeln sich unterschiedlich
Ohne die langfristige Entwicklung des atypischen Grenzgängerwesens wäre der Rückgang des Grenzgängerstroms aus Frankreich ins Saarland noch stärker ausgeprägt. Betrachtet man die Entwicklung seit dem absoluten Höchststand im Jahr 2000 bis zum Jahr 2023, so hat sich die Zahl der Einpendler aus Frankreich mit anderen Nationalitäten um 36,6 % reduziert. Der Rückgang bei den atypischen Grenzgängern betrug nur 30,9 %. Immerhin ist dieser Tendenz im Zeitraum 2013-2023 umgekehrt. Rückgang der atypischen Grenzgänger ist höher (-29,9 % gegen -17,9 %).
[1] Vgl. ausführlich Ballschmiede, H. (1998): Wohnmobilität deutscher Staatsangehöriger im Raum Moselle-Est. Studie im Auftrag des Etablissement Public de la Métropole Lorraine (EPML); ferner Ramm, M. (1999): Saar-länder im grenznahen Lothringen. „Invasion“ oder Integration? In: Geographische Rundschau 51, H. 2, S. 110-115 sowie ders. (2001): Vivre et habiter de part et d’autre d’une frontière: l’exemple de l’espace Sarre-Moselle/Est. In: Leinen, Jo (Hg.): Saar-Lor-Lux. Eine Euro-Region mit Zukunft? (Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland, Bd. 6), St. Ingbert, S. 379-391
[2] Im Jahr 1997 wurden allein im Departement Moselle ca. 15.000 Einwohner mit deutscher Staatsbürgerschaft gezählt, davon ca. 70% aus dem Saarland. Bei ihnen handelt es sich weitgehend um Erwerbstätige mit einem Arbeitsplatz im Saarland. Vgl. Auburtin, Eric (2002): Dynamiques et représentations transfrontalières de la Lorraine. Analyse géopolitique régionale appliquée. Thèse de doctorat, Tome 2, Université de Paris 8, S. 383 u. 386
2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | |
Insgesamt | -4,0 | -2,3 | +1,1 | -2,5 | -2,5 | -0,6 | -4,3 | -9,1 | -3,7 | -1,6 | +1,6 |
Deutsche | -4,7 | -6,0 | ,-3,9 | -4,5 | -3,2 | -3,3 | -5,7 | -5,0 | -5,3 | -4,1 | +6,8 |
andere Nationalitäten | -3,7 | -0,6 | +3,3 | -1,7 | -2,2 | +0,5 | -3,8 | -10,6 | -3,0 | -0,6 | -0,3 |
Über die Hälfte der Franzosen an der Saar arbeitet im Regionalverband Saarbrücken
Die aus Frankreich einpendelnden Arbeitskräfte arbeiten überwiegend an Orten, an denen – neben Handel und wirtschaftsnahen Dienstleistungen – die Verarbeitende Industrie mit ihren Standorten der Metallverarbeitung bzw. der Automobil- und Zuliefererindustrie angesiedelt ist. So sind fast 58 % der Grenzgänger im Regionalverband Saarbrücken, gut ein Fünftel im Kreis Saarlouis und 15 % im Saarpfalz-Kreis beschäftigt. Auf die übrigen saarländischen Landkreise entfallen demgegenüber lediglich ca. 6 % aller Einpendler aus Frankreich. Im Hinblick auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre ist zu erkennen, dass die Zahl der Grenzgänger in allen Landkreisen zurückgegangen ist: die Rückgänge sind im Regionalverband Saarbrücken mit -24,1 % (ca. 2.600 Personen) und im Kreis Saarlouis mit -17,4 % (ca. 650 Personen) besonders deutlich. Die größte Anzahl an Arbeitsplätzen für Grenzgänger wurde im Kreis Merzig-Wadern abgebaut: -34,9 %, obwohl es nur etwa mehr als 200 Arbeitsplätze betrifft.
Im Saarland beschäftigte Grenzgänger aus Frankreich nach Arbeitsort (Kreisebene) zum 30.06.2023 und Veränderung 2013-2023
Autor der Karte: GIS-GR / SIG-GR
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: BA
Saarland | 14.226 |
Regionalverband Saarbrücken | 8.220 |
Saarlouis | 3.062 |
Saarpfalz-Kreis | 2.100 |
Neunkirchen | 392 |
Merzig-Wadern | 388 |
St. Wendel | 64 |