Die Lebensbedingungen in der Großregion

Ebenso wie die demografische und sozioökonomische Lage sind auch die Lebensbedingungen der Einwohner in der Großregion von starken Unterschieden geprägt. Diese Unterschiede im Lebensstandard können im Hinblick auf die wirtschaftlichen Merkmale der Teilregionen analysiert werden. In diesem Teil werden zwei Indikatoren dargestellt, um diese Unterschiede zu untersuchen: das Pro-Kopf-Einkommen und die Armutsgefährdungsquote. Um die Entwicklung der Situation in den Teilregionen der Großregion vergleichen zu können, werden auch die Werte der Vorjahre präsentiert.

 

Pro-Kopf-Einkommen: starke Unterschiede innerhalb der Großregion

Im Jahr 2019 stehen jedem Einwohner der Großregion durchschnittlich 21.819 Euro für Konsum oder Ersparnisse zur Verfügung. Das ist signifikant mehr als der europäische Durchschnitt von knapp über 17.000 Euro. Allerdings variiert das verfügbare Einkommen stark zwischen den einzelnen Teilregionen. Im Jahr 2019 weist Luxemburg mit 35.074 Euro pro Einwohner das höchste Niveau auf und übertrifft damit Rheinland-Pfalz auf Platz zwei (22.710 Euro) bei weitem. So Damit beträgt der Abstand zwischen[AB1] [ah2]  der ersten Teilregion, Luxemburg, und der zweiten Teilregionen, Rheinland-Pfalz, beim verfügbaren Einkommen mehr als 12.000 Euro. Die privaten Haushalte im Saarland, in der Wallonie und in Lothringen verfügen ihrerseits über ein sehr ähnliches durchschnittliches verfügbares Einkommen (zwischen ca. 20.000 und 21.000 Euro), das damit etwas niedriger ist als das der Rheinland-Pfälzer.

Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte 2019

Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte 2014 und 2019 in Euro pro Kopf

Berechnungen: IBA·OIE
Quelle: Eurostat

Innerhalb von fünf Jahren haben die privaten Haushalte in der Großregion ihr für Konsum oder Sparen verfügbares Einkommen um durchschnittlich 13,2% gesteigert und damit etwas weniger stark zugelegt als auf Ebene der Europäischen Union (+15,1%). Mit Ausnahme von Luxemburg, wo der Anstieg des verfügbaren Einkommens um mehr als vier Prozentpunkte unter dem Durchschnitt des Kooperationsraums (+8,6%) lag, verzeichneten die anderen Teilregionen der Großregion sehr ähnliche Zuwächse zwischen +12,8% (Rheinland-Pfalz) und 13,6% (Wallonie).

Berücksichtigt man hingegen nur die Entwicklung zwischen dem Jahr 2018 und 2019, sind größere Unterschiede zu beobachten. Die privaten Haushalte in Lothringen, Luxemburg und Wallonien profitierten von einem beschleunigten Anstieg ihres verfügbaren Einkommens mit Steigerungen von etwas mehr als 3%, während in den beiden deutschen Teilgebieten der Anstieg moderater ausfiel und im Saarland bei 2,2% und in Rheinland-Pfalz bei 1,3% lag.

Die Armutsgefährdungsquote - ein Indikator, der auf der Ebene der Großregion mit Vorsicht zu analysieren ist

Die Armutsgefährdungsquote wird anhand der Einkommensverteilung nach Sozialabgaben berechnet. Der Median dieser Verteilung bezeichnet den Wert, der die Bevölkerung in zwei gleich große Teile teilt. Der Einkommensmedian entspricht somit dem Einkommen, bei dem die Hälfte der Bevölkerung einen niedrigeren monatlichen Lebensstandard und die andere Hälfte der Bevölkerung einen höheren monatlichen Lebensstandard hat. Somit ist die Armutsgefährdungsschwelle erreicht, wenn maximal 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen (medianes Nettoäquivalenzeinkommen). Innerhalb der Großregion sind diese nationalen Grenzwerte sehr unterschiedlich: In Frankreich liegt die Armutsgrenze bei 1.102 Euro; in Deutschland ist eine Person von Armut bedroht, wenn ihr monatliches Einkommen weniger als 1.074 Euro beträgt. In Belgien liegt diese Schwelle bei 1.230 Euro; und in Luxemburg schließlich beträgt der Wert 1.818 Euro.

Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, dessen Lebensstandard weniger als 60% des nationalen Medianeinkommens (nach Sozialabgaben) beträgt. Sie ist der wichtigste Indikator für die Messung der Einkommensarmut. Zudem handelt es sich um einen relativen Indikator, der den Lebensstandard einer Person mit dem der übrigen Bevölkerung vergleicht. Beim Vergleich der Teilgebiete der Großregion ist daher große Vorsicht geboten, da die dargestellten Werte mit dem Lebensstandard im Rest des Landes in Verbindung stehen. Die Armutsgefährdungsquote gibt einen Hinweis auf die Stellung der Bevölkerung in der Einkommensverteilung auf nationaler Ebene, sagt aber nicht zwingend etwas darüber aus, ob die betreffenden Personen im absoluten Sinne arm sind.

Armutsgefährdungsquote 2019

Anteil der Personen (in %), deren verfügbares Äquivalenzeinkommen weniger als 60% des landesweiten Medians des verfügbaren Äquivalenzeinkommens (nach Sozialabgaben) der Bevölkerung beträgt, und Veränderungen (in Prozentpunkten) zwischen 2015 und 2019 (in rosa)

Berechnungen: IBA-OIE
Quellen:
Saarland, Rheinland-Pfalz: Destatis, Mikrozensus 2011
Lothringen: INSEE-DGFIP-Cnav-Cnaf-CCMSA, Fichier localisé social et fiscal (Sozial- und Steuerdatenbank)
Wallonien: EU-SILC (Gemeinschaftliche Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen), Berechnungen des IWEPS
Luxemburg: STATEC

So leben in Wallonien 18,2% der Bevölkerung unterhalb der Risikoschwelle für Einkommensarmut. Im Vergleich dazu liegt diese Quote in Flandern bei unter 10% und in der Region Brüssel-Hauptstadt bei über 30%. Diese Schwankungen deuten auf starke Einkommensunterschiede auf nationaler Ebene hin. Darüber hinaus gibt es innerhalb der Wallonie selbst deutliche Unterschiede zwischen den Provinzen.[1]

In Lothringen liegt die Risikoquote für Einkommensarmut bei 15,3%. Dieser Anteil steht für alle Personen, die 2019 in Lothringen einen monatlichen Lebensstandard von weniger als 1.102 Euro hatten. Auf nationaler Ebene liegt diese Quote bei 14,9%.[2]

In den Bundesländern Saarland und Rheinland-Pfalz liegt der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der Einkommensarmutsgefährdungsschwelle lebt, bei 17,0 bzw. 15,6%. In Deutschland leben im Jahr 2019 15,9% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Auch hier sind auf nationaler Ebene große Einkommensunterschiede zwischen den Bundesländern zu beobachten.[3]

In Luxemburg schließlich liegt der Anteil der von Armut bedrohten Bevölkerung bei 17,5%. Aus historischer Sicht ist die Armutsgefährdungsquote 2019 im Großherzogtum die höchste, die jemals im Land verzeichnet wurde. Die stetige Zunahme der Armutsgefährdungsquote in Luxemburg seit 1996 setzt sich weiter fort: der Anteil der Personen, deren Lebensstandard weniger als 60% des Medianeinkommens beträgt hat von 2015 bis 2019 um 2,2 Prozentpunkte zugenommen. Eine der Erklärungen, die von der luxemburgischen Arbeitnehmerkammer (CSL) angeführt wird, ist der Rückgang der Wirkung von Sozialtransfers bei der Vermeidung von Prekarität.[4]

Die Entwicklungen der Armutsgefährdungsquote in den anderen Teilregionen sind dagegen mit großer Vorsicht zu beobachten, da sie weiterhin innerhalb der Vertraulichkeitsintervalle liegen.

Auf Ebene der Großregion haben 16,6% der Einwohner ein verfügbares Einkommen von weniger als 60% des Medianeinkommens ihres jeweiligen Landes.

 

[1] Vgl. https://statbel.fgov.be/fr/nouvelles/indicateurs-de-pauvrete-belges-en-2019-par-region-et-par-province (06.12.2022)

[2] Detaillierte Zahlen zu Haushaltseinkommen und Armut in Frankreich im Jahr 2019 sind auf der Website des INSEE verfügbar: https://www.insee.fr/fr/statistiques/6436484?sommaire=6036904#graphique-figure2_radio1 (06.12.2022)

[3] Vgl. https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/158610/armutsgefaehrdungsquoten-nach-bundeslaendern/ (06.12.2022)

[4] Vgl. Chambre des salariés Luxembourg (2022) : Panorama social 2022. S.26-27, https://www.csl.lu/wp-content/uploads/2022/06/20220607_csl_panorama_2022_web.pdf (23.11.2022).

 

Die Verringerung des Risikos von Armut oder sozialer Ausgrenzung als eines der Ziele der Europäischen Union bis 2030

Die Europäische Union hat in ihrer Strategie für 2030 mehrere Ziele festgelegt, die ehrgeizig sind und sich in den Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte einfügen. Das erste Ziel bezieht sich auf die Beschäftigungsquote. Bis 2030 hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, dass mindestens 78% der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren eine Beschäftigung haben sollten. Lebenslanges Lernen wird im Zusammenhang mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger. So sollen bis 2030 jährlich mindestens 60% der Erwachsenen an Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Das letzte Ziel betrifft die Verringerung der Armut: Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen soll bis 2030 um mindestens 15 Millionen sinken.

Das Risiko, von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen zu sein, umfasst mehrere Indikatoren:

  • Einkommensarmut, d. h. der Anteil der Bevölkerung, dessen Lebensstandard unterhalb der Armutsgrenze liegt, die auf 60% des nationalen Medians des verfügbaren Äquivalenzeinkommens (nach Sozialabgaben) festgelegt ist.
  • Materielle Entbehrung", bestehend aus Indikatoren, die sich auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, langlebige Güter, Wohnraum und Wohnumfeld beziehen. Personen zählen zu einer Situation ernsthafter materieller Entbehrung, wenn vier der neun Indikatoren auf sie zutreffen: Unmöglichkeit 1) die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen zu bezahlen, 2) die Wohnung angemessen zu heizen, 3) unvorhergesehene Ausgaben zu decken, 4) jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder ein proteinhaltiges Äquivalent zu essen, 5) eine Woche im Jahr außerhalb der Wohnung in Urlaub zu fahren, 6) ein Auto zu kaufen, 7) eine Waschmaschine zu kaufen, 8) einen Farbfernseher zu kaufen oder 9) einen Telefonanschluss zu bezahlen.
  • Sehr niedrige Arbeitsintensität bezieht sich auf Personen zwischen 0 und 59 Jahren, die in Haushalten leben, in denen die Erwachsenen im vergangenen Jahr weniger als 20% ihres Arbeitspotenzials gearbeitet haben