Schul- und Ausbildungsabbrecher in der Großregion
Fortsetzung der Bemühungen zur Senkung der Schulabbrecherquote
Die Senkung der durchschnittlichen Schulabbrecherquote in der EU auf unter 10% war eines der Hauptziele des Programms Europa 2020. Die Europäische Union definiert die Kategorie der Schulabbrecher als Personen im Alter von 18 bis 24 Jahren, die das Bildungssystem bestenfalls im Laufe der Sekundarstufe II verlassen haben, also ohne den Abschluss der Sekundarstufe II bestätigt zu haben, und die weder ein Studium noch eine Ausbildung absolvieren.
Die Großregion (ohne das Saarland) hat dieses Ziel 2020 mit 9,8 % erreicht und lag damit etwas unter dem europäischen Durchschnitt, der im Jahr 2020 bei 10,0 % lag. Im Rahmen des Aktionsplans der europäischen Säule sozialer Rechte möchte die EU die bisherigen Anstrengungen fortsetzen, um die Schulabbrecherquote in der EU weiter zu senken.
Großregion liegt nur leicht über dem europäischen Durchschnittswert
Im Jahr 2023 zählten 9,9% der 18- bis 24-Jährigen in der Großregion (ohne Saarland) zu der Gruppe der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger.
Damit liegt die Quote anders als noch 2020 über dem europäischen Durchschnitt von 9,5 %. Dies ist zwar ermutigend, bedeutet aber, dass jeder zehnte junge Mensch heute noch Schwierigkeiten hat, seine Ausbildung fortzusetzen oder sich nachhaltig und qualitativ in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Im interregionalen Vergleich nehmen Rheinland-Pfalz (14,6%) und das Saarland für 2019 (11,7%) die negativen Spitzenpositionen ein. Diese hohen Zahlen könnten z. T. auch mit den Besonderheiten des deutschen Ausbildungssystems zusammenhängen, in dem für eine qualifizierte Berufsausbildung nicht unbedingt ein Abschluss der Sekundarstufe II erforderlich ist. In der Wallonie und in Luxemburg ist die Schulabbrecherquote 2023 mit 6,7% bzw. 6,8% recht niedrig. Mit einer Quote von 8,6% lag Lothringen ebenfalls unter dem Durchschnitt der Großregion.
Frühe Schul- und Ausbildungsabgänger 2023
Anteil der 18- bis 24-Jährigen (in % der Bevölkerung im selben Alter), die sich nicht oder nicht mehr in (Aus-) Bildung oder Weiterbildung befinden und nicht über einen Abschluss des Sekundarbereichs II verfügen
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: Eurostat
Vorwiegend rückläufiger Trend der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger
Zwischen 2013 und 2023 ging der Anteil der Personen, welche die Schule abbrechen, in der Wallonie mit 8,0 Prozentpunkten besonders stark zurück. In Lothringen betrug der Rückgang 1,9 Punkte, während der durchschnittliche Rückgang in der gesamten Großregion bei 2,8 Punkten lag. In Rheinland-Pfalz und Luxemburg stieg die Schulabbrecherquote dagegen, und zwar um 1,6 bzw. 0,7 Punkte.
Beim Blick auf das Geschlechterverhältnis wird deutlich, dass in der Wallonie vor allem die jungen Männer zum starken Rückgang der Schulabbrecherquote beitrugen. Bei ihnen betrug der Rückgang 8,8 Punkte, während es bei den jungen Frauen nur 7,2 Punkte waren. Auch in Rheinland-Pfalz ist die Veränderung der Schulabbrecherquote allein auf männliche Jugendliche zurückzuführen. Bei ihnen stieg der Anteil der Schulabbrecher um 4,3 Punkte, was eine insgesamt höhere Quote zur Folge hatte. In Luxemburg dagegen waren es die jungen Frauen, die die Quote der Personen, welche die Schule vorzeitig verlassen, ansteigen ließen. Ihr Anteil erhöhte sich um 3,6 Punkte.
Bei der Entwicklung der Quote in den einzelnen Teilen der Großregion zwischen 2020 und 2023 lassen sich keine Trends ablesen, die etwaige Folgen der verschiedenen aufeinanderfolgenden Krisen widerspiegeln.
Entwicklung der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger seit 2013
Veränderung zwischen 2013 und 2023 (bzw. 2019) in Prozentpunkten der 18- bis 24-Jährigen, die sich nicht oder nicht mehr in (Aus-) Bildung oder Weiterbildung befinden und nicht über einen Abschluss des Sekundarbereichs II verfügen
Berechnungen: IBA·OIE | Quelle: Eurostat
Gründe und Konsequenzen für den Schulabbruch
Schulabbruch ist ein gesellschaftliches Thema, das alle Länder der Großregion gleichermaßen beschäftigt. Nach den Worten der Europäischen Kommission „führt Schulabbruch häufig zu Arbeitslosigkeit, sozialer Ausgrenzung, Armut und gesundheitlichen Problemen. Schulabbruch beginnt oft schon früh während der Schullaufbahn und ist das Ergebnis schnell hintereinander auftretender oder verschiedener Unterbrechungen, die in unterschiedlichen Abständen auftreten, bereits in der Grundschule beginnen und bis hin zum endgültigen Verlassen der Schule ohne Abschluss führen können." [1] Dieser Vorgang findet in drei Schritten statt:
- Frühzeitige Schwierigkeiten in der Schule: Der Ausgangspunkt dafür liegt oft in der Familie und in den Erfahrungen in der Grundschule begründet.
- Schwierigkeiten in der Schule, die zur Ablehnung der Schule führen.
- Auseinanderbrechen der sozialen Strukturen.
Zudem darf man nicht vergessen, dass ein Schulabbruch auch Kosten verursacht, sowohl für die betroffenen Personen selbst als auch für die Allgemeinheit, die für sie aufkommen muss.[2] Daher ist es umso wichtiger, zu verstehen, welche Mechanismen und Faktoren einen möglichen Schulabbruch beeinflussen. Es gibt zahlreiche Gründe, aus denen manche Jugendliche die Schule oder eine Ausbildung frühzeitig abbrechen. Das können persönliche oder familiäre Probleme sein, Schwierigkeiten beim Lernen oder in der Ausbildung oder eine schwierige wirtschaftliche Situation. Auch die Funktionsweise des Schulsystems, das Lernklima und das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern spielen eine wichtige Rolle“.[3]
[1] Via Compétences. Décrochage scolaire : de quoi parle-t-on ? CARIF-OREF-Région Auvergne-Rhône-Alpes.
[2] Bernard, P.Y. (2017). Le décrochage scolaire en France : du problème institutionnel aux politiques éducatives. Paris: Cnesco.
[3] Weitere Informationen zu diesem Thema gibt es auf der Website der Europäischen Kommission.
Weitere Anstrengungen zur Senkung der Schulabbrecherquote erforderlich
Nachdem der Europäische Rat im Jahr 2011 eine Empfehlung bezüglich Strategien zur Verringerung der Schulabbrecherquote abgegeben hatte, stellt der Rat heute fest, dass die Anzahl derjenigen, die die Schule vorzeitig beenden, zwar gesunken ist, aber das Thema „Schulabbruch“ nach wie vor eine große Herausforderung darstellt, gerade im Hinblick auf die erwarteten Folgen der Coronapandemie. So weist der Rat erneut auf die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen zur Verringerung der Schulabbrecherquote hin.
In seinen Empfehlungen von 2015 zur Senkung der Schulabbrecherquote und der Steigerung des schulischen Erfolgs hob der Rat folgende Punkte besonders hervor:
- Neben dem Aufbau und der Qualität des Schulsystems können auch andere Faktoren wie ein ungünstiges Klima an der Schule, Gewalt und Mobbing, möglicherweise ungeeignete Lehrmethoden und Lehrpläne, unzureichende Unterstützung in schulischen Belangen oder unzureichende Berufsberatungsangebote und Ausbildungsmöglichkeiten, Schüler dazu bewegen, die Schule vorzeitig zu verlassen.
- Da unsere Gesellschaft immer vielfältiger wird, müssen alle Beteiligten, egal, ob sie im Bildungswesen tätig sind oder nicht, dringend ganzheitliche und aufeinander abgestimmte Antworten finden, durch die gemeinsame Werte wie Toleranz, gegenseitiger Respekt, Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung einerseits und Integration, Verständnis für andere Kulturen und das Gemeinschaftsgefühl andererseits gefördert werden.
- Wenn das Extremismus- und Radikalisierungsrisiko dadurch gesenkt werden soll, dass Marginalisierung und soziale Ausgrenzung verhindert werden, muss zwingend dafür gesorgt werden, dass alle Jugendlichen die gleichen Chancen auf eine qualitativ hochwertige und inklusive Bildung [1] haben und dass sie ihr Potenzial unabhängig von persönlichen Faktoren wie dem familiären Hintergrund oder ihrem Geschlecht, ihrer wirtschaftlichen Situation oder individuellen Erfahrungen voll entfalten können.
- Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass für einen gelungenen Übergang von der Schule, Hochschule oder Ausbildung ins Arbeitsleben und um die zur Verfügung stehenden Angebote für lebenslanges Lernen während der gesamten Karriere optimal nutzen zu können, mindestens der Abschluss der Sekundarstufe II an einer allgemeinbildenden oder beruflichen Schule oder eine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich sind. Wir wissen, dass Menschen, die die Schule vorzeitig verlassen oder ihre Ausbildung abbrechen, häufiger arbeitssuchend sind, in Armut leben und soziale Ausgrenzung erleben; Investitionen in den schulischen Erfolg Jugendlicher können also dafür sorgen, dass prekäre Lebensverhältnisse, Armut und Ungleichheit nicht mehr automatisch von Generation zu Generation weitergegeben werden.
[1] In den vorliegenden Empfehlungen ist mit „inklusiver Bildung“ das Recht aller Kinder auf qualitativ hochwertige Bildung gemeint, die die grundlegenden Lernbedürfnisse erfüllt und das Leben der Schüler bereichert.
In seinem Beschluss zur Entwicklung eines strategischen Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung stellt der Europäische Rat fest, dass die Bildungssysteme infolge der Coronakrise unter so hohem Druck stehen wie nie zuvor und dass sich Homeschooling sowie Mischformen aus Präsenzunterricht und Homeschooling etabliert haben. In der Coronazeit wurden insbesondere die großen Unterschiede in Sachen Digitalisierung deutlich und die vielfältigen Herausforderungen und Chancen, die sich dadurch im Bildungswesen ergeben. Außerdem hat die Pandemie die Notwendigkeit aufgezeigt, die allgemeine und die berufliche Bildung so flexibel und resilient zu gestalten, dass Unterbrechungen in den gewohnten Abläufen möglichst folgenlos bleiben.
Die Mitgliedstaaten müssen also Lösungen finden, durch die sichergestellt wird, dass die allgemeine und berufliche Bildung auch beim Eintreten unterschiedlichster Szenarien wie gewohnt weitergehen kann, und gewährleisten, dass alle Schüler bzw. Auszubildenden unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation oder dem persönlichen Förderbedarf weiterhin etwas lernen.
Schließlich legt der Rat zur Verbesserung der allgemeinen und beruflichen Bildung mehrere strategische Prioritäten fest, bei denen er das große Ganze und die Bedürfnisse aller im Blick hat. Besonders betont wird dabei der Wille, bei der allgemeinen und beruflichen Bildung die Qualität und Chancengleichheit sowie die Einbeziehung und den Erfolg aller zu fördern, lebenslanges Lernen und Mobilität für alle zu gewährleisten, die Kompetenzen von Lehrern auszubauen und ihre Motivation zu steigern, die Hochschulbildung in Europa zu fördern und Digitalisierung und Klimafreundlichkeit in der und durch die allgemeine und berufliche Bildung zu unterstützen.