Im Rahmen der Ausarbeitung des Schwerpunktthemas des WSAGR-Berichts 2023/2024 über die Situation der jungen Menschen in der Großregion hat die IBA·OIE eine detailliertere Analyse der NEET durchgeführt. Die Entstehung des Begriffs wird näher betrachtet, um Situationen zu beschreiben, die bisher nicht in den statistischen Rahmen passten: die verschiedenen Kategorien von NEETs, die Faktoren, die zum NEET-Risiko beitragen, die Rolle der Wahl der Altersgruppe bei diesem Indikator und schließlich die Maßnahmen, zur Bekämpfung dieses Phänomens.

Diese Informationen finden Sie in Kapitel „2.5. Das NEET-Konzept“ im Sonderthema des WSAGR-Berichts 2023/2024.

Die NEET-Quote stellt eine sinnvolle Alternative zu den klassischen Indikatoren zur Beschreibung der Lage der Jugendlichen am Arbeitsmarkt dar, weil sie die Lebensrealität vieler Jugendlicher besser widerspiegelt als diese. Der Indikator der Jugendarbeitslosenquote stößt aufgrund der Konzeption des Indikators selbst auf einige Einschränkungen. Zunächst einmal lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungssysteme verschiedene Regionen und Länder nur schwer miteinander vergleichen. Außerdem werden bei der Jugendarbeitslosenquote auch junge Menschen erfasst, die noch zur Schule gehen oder sich in Ausbildung befinden. Dies führt tendenziell zu einer Verzerrung der tatsächlichen Situation junger Menschen, gerade in Ländern wie Frankreich oder Belgien, in denen die meisten Jugendlichen die Möglichkeit haben, Hochschulen zu besuchen.[1] Und schließlich spiegelt die Aufteilung in Erwerbstätige und Arbeitslose, wie sie bei der klassischen Arbeitslosenquote vorgenommen wird, nicht die sehr unterschiedlichen Situationen wider, in denen sich junge Menschen heutzutage befinden. Einige arbeiten etwa neben ihrem Studium, während andere trotz Erwerbstätigkeit Sozialleistungen beziehen. Anders als früher verläuft das Arbeitsleben heute nicht mehr linear nach dem klassischen Muster Schule - Arbeit - Ruhestand und die Lebensläufe der Jugendlichen sind individueller und weniger vergleichbar (nicht jeder folgt einer typischen Laufbahn). Daher ist die NEET-Quote ein interessantes und effektiveres Instrument für Vergleiche über Ländergrenzen hinweg, der Fokus liegt auf der Zeit außerhalb der Ausbildung oder des Studiums. [2]

In der unterstehenden Grafik wird deutlich, wie sehr sich die Konzepte „Jugendarbeitslosenquote“ und „NEET-Quote“ voneinander unterscheiden. Bei der Jugendarbeitslosenquote werden alle nicht erwerbstätigen Personen erfasst, d.h. auch Menschen, die gerade eine Weiterbildungsmaßnahme durchlaufen, während die maßgebliche Zahl bei der NEET-Quote die Zahl der Arbeitslosen und Nichterwerbspersonen ist, die sich nicht in Erstausbildung oder Weiterbildung befinden. Auch der Referenzwert unterscheidet sich bei den beiden Konzepten: Während sich die Jugendarbeitslosenquote auf die Erwerbsbevölkerung (erwerbstätig oder nicht) bezieht, setzt sich der Nenner bei der Berechnung der NEET-Quote aus der Gesamtbevölkerung einer Altersgruppe zusammen, unabhängig davon, ob diese erwerbstätig oder nicht erwerbstätig ist. Anders als bei der Jugendarbeitslosenquote, die die Gebiete begünstigt, in denen die duale Berufsausbildung besonders verbreitet ist, lässt sich mit der NEET-Quote also das Problem der Vergleichbarkeit in der Großregion umgehen.

[1] Dujardin C., Vander Stricht V. (2022) : Quels indicateurs pour caractériser la situation des jeunes sur le marché du travail ? IWEPS décryptage n°7 
[2] Reist C. (2020) : Les jeunes ni en études, ni en emploi, ni en formation (NEET) : quels profils et quels parcours ? DARES analyses n° 6.

Schematische Darstellung der Erwerbsstruktur der 18-24-Jährigen in der Wallonie (2020)

Quelle: IWEPS (2022). Quels indicateurs pour caractériser la situation des jeunes sur le marché du travail ? IWEPS Décryptage n°7

NEET-Quoten zwischen 8,5 % und 13,5 % in der Großregion

2023 lag die NEET-Quote der 15- bis 29-Jährigen in der Großregion genau wie in den 27 EU-Staaten bei 11,2 %. Innerhalb der Großregion weisen Luxemburg mit 8,5 % und Rheinland-Pfalz mit 8,9 % die niedrigsten Quoten auf. Mit Ausnahme des Saarlandes, wo die NEET-Quote 9,8 % betrug, befand sich in allen anderen Teilregionen im Jahr 2023 immer noch mehr als jeder zehnte Jugendliche in einer NEET-Situation. In allen Teilen der Großregion lagen die NEET-Quoten über dem jeweiligen Landesdurchschnitt. Außer in der Wallonie zeigt die beobachtete Unterscheidung nach Geschlecht für 2023, dass sich mehr Frauen als Männer in einer NEET-Situation befinden. Im Saarland (Daten für 2019) und in Lothringen ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern mit 5,0 Punkten bzw. 4,9 Punkten am größten. In der Wallonie dagegen sind weniger Frauen in einer NEET-Situation als Männer; der Unterschied zwischen den Geschlechtern beträgt hier einen Prozentpunkt.

Laut einer Analyse des französischen Statistikamts INSEE sind es in Frankreich mehr junge Männer zwischen 15 und 24 Jahren als junge Frauen, die weder eine Ausbildung noch ein Studium absolvieren noch einer Arbeit nachgehen (= NEET). Das liegt daran, dass männliche Jugendliche dieser Altersgruppe im Durchschnitt früher die Schule verlassen und bereits öfter als Frauen in diesem Alter erwerbstätig, aber eben auch arbeitslos sind. In der nächsthöheren Altersklasse dagegen, der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen, sind es die Frauen, auf die das Konzept NEET öfter zutrifft. Die Frauen dieser Altersgruppe verlieren zwar nicht so oft ihren Job wie die Männer, stehen dem Arbeitsmarkt aber eher aufgrund von Elternzeit nicht mehr zur Verfügung.[1] Darüber hinaus trägt die Betreuung eines Kindes dazu bei, dass Frauen in der NEET-Situation bleiben.[2]

 

[1] Flora Vuillier-Devillers (2023) : Après un pic dû à la crise sanitaire, la part des jeunes ni en emploi, ni en études, ni en formation repart à la baisse. INSEE Focus n°285. https://www.insee.fr/fr/statistiques/6686184#:~:text=Au%20total%2C%2052%2C4%20%25,11%2C0%20%25%20en%  (03.07.2024)
[2] Laut einer Auswertung von DARES ist ein Viertel der Frauen zwischen 16 und 25 Jahren, auf die das Konzept NEET zutrifft und die gerne wieder arbeiten würden, wegen der Betreuung von Kindern oder Pflege von Angehörigen nicht aktiv auf Arbeitssuche. Bei den Männern dieser Altersgruppe liegt dieser Anteil nur bei 1 %.

*GR. Region: Nach Geschlecht ohne Saarland

Anteil der nichterwerbstätigen Jugendlichen im Alter von 15-29 Jahren, die an keiner Bildung und Ausbildung teilnehmen, an der Bevölkerung im selben Alter, in %

Berechnungen IBA·OIE | Quellen: Eurostat – LFS

Verbesserung der NEET-Quote in den letzten zehn Jahren

Die Entwicklung der NEET-Quoten in der EU und der Großregion ist stark von der Konjunktur abhängig. Dabei wirkten sich die letzten großen Krisen unterschiedlich stark auf Europas Jugend aus. In der Zeit zwischen 2013 und 2023 erreichte die NEET-Quote bei den 15- bis 29-Jährigen den höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008. Beispielsweise lag sie 2013 in ganz Europa bei 16,1 %, dagegen in 2022, als die Wirtschaft sich nach der Coronapandemie wieder zu erholen begann, betrug sie nur 11,7 %. Die Finanzkrise wirkte sich außerdem für einen vergleichsweise langen Zeitraum auf die Jugendlichen aus, da das relativ niedrige Vorkrisenniveau erst 2018 wieder erreicht wurde. Nach der Coronapandemie lag die NEET-Quote bereits 2022 wieder unter dem Wert von 2019.

Die Entwicklung der NEET-Quoten in der Großregion ähnelt sehr stark derjenigen in den 27 EU-Staaten. Allerdings lässt sich in der Großregion zwischen 2022 und 2023 eine leichte Erhöhung beobachten. Im genannten Zeitraum gleichen sich die höchsten und die niedrigsten Werte in allen Teilen der Großregion einander an. Beispielsweise betrug der Unterschied zwischen der Wallonie und Luxemburg im Jahr 2013 noch 10,5 Prozentpunkte, 2023 lagen Lothringen und Luxemburg dann nur noch 5 Punkte auseinander. Innerhalb von zehn Jahren fiel die NEET-Quote in der Großregion um 2,5 Punkte und in der Wallonie sogar um fast 5 Punkte. In Luxemburg ist die NEET-Quote seit 2013 um 1,3 Prozentpunkte gestiegen und auch die anderen Werte waren in diesem Teil der Großregion im Betrachtungszeitraum am niedrigsten.

* GR. Region: 2020 ohne Saarland | ** Saarland: keine Daten für 2020

Anteil der nichterwerbstätigen Jugendlichen im Alter von 15-29 Jahren, die an keiner Bildung und Ausbildung teilnehmen, an der Bevölkerung im selben Alter, in %

Berechnungen IBA·OIE | Quellen: Eurostat – LFS