Die Lebensbedingungen in der Großregion

Die Lebensbedingungen der Einwohner der Großregion sind, ebenso wie die demografische und sozioökonomische Situation, von deutlichen Unterschieden geprägt. Eine Analyse dieser Unterschiede im Hinblick auf die ökonomischen Merkmale der kooperierenden Regionen kann aufschlussreiche Erkenntnisse liefern. In diesem Abschnitt werden zwei Indikatoren präsentiert, die dazu dienen, diese Unterschiede zu beleuchten: das Pro-Kopf-Einkommen und die Armutsgefährdungsquote. Um die Entwicklung in den verschiedenen Teilregionen der Großregion besser miteinander vergleichen zu können, werden auch die Werte der Vorjahre dargestellt.

 

Pro-Kopf-Einkommen: starke Unterschiede innerhalb der Großregion

Im Jahr 2021 standen jedem Einwohner der Großregion durchschnittlich 23.022 Euro für Konsum- oder Sparzwecke zur Verfügung - das ist signifikant mehr als der europäische Durchschnitt von 17.863 Euro.

Allerdings variiert das verfügbare Einkommen stark zwischen den einzelnen Teilregionen: 2021 wurde das höchste Niveau mit 37.002 Euro je Einwohner in Luxemburg erzielt, das damit weit vor den anderen Regionen des Kooperationsraums liegt. Auf dem zweiten Platz liegt Rheinland-Pfalz mit einem Pro-Kopfeinkommen von 23.688 Euro, gefolgt vom Saarland (21.636 Euro) und Lothringen (21.484 Euro), die ihrerseits über ein sehr ähnliches durchschnittliches verfügbares Einkommen verfügen. Statistisch gesehen weniger Einkommen hatten die privaten Haushalte in der Wallonie zur Verfügung (21.204 Euro pro Einwohner).

Die regionalen Disparitäten in der Großregion sind somit erheblich: Ein Privathaushalt in Luxemburg verfügte 2021 durchschnittlich über 13.300 Euro pro Kopf mehr als im zweitplatzierten Rheinland-Pfalz; im Vergleich zur Wallonie, die das Schlusslicht bildet, betrug die Differenz sogar fast 15.800 Euro.

Im Jahresvergleich, zwischen 2020 und 2021, erhöhte sich das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in der Großregion pro Einwohner nominal um 3,5 %. Getragen wurde diese Entwicklung vor allem von Lothringen (+8,3 %) und der Wallonie (+3,7 %). Allerdings hat sich das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte im Betrachtungszeitraum auch in den deutschen Regionen positiv entwickelt: im Saarland +2,6 % und in Rheinland-Pfalz +2,0 %. Luxemburg blieb auf dem Niveau des Vorjahres.

Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte 2021

Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte 2016 und 2021, in Euro, pro Kopf

Berechnungen: IBA·OIE  |  Quelle: Eurostat

Höhere Einkommenssteigerungen in der Großregion als im europäischen Vergleich

Innerhalb von fünf Jahren haben die privaten Haushalte in der Großregion ihr für Konsum oder Sparen verfügbares Einkommen um durchschnittlich 15 Prozent gesteigert und damit stärker zugelegt als auf Ebene der Europäischen Union (+14,5 %).

Mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz (11,8 %) und dem Saarland (12,3 %), wo der Anstieg des verfügbaren Einkommens um rund drei Prozentpunkte unter dem Durchschnitt des Kooperationsraums lag, verzeichneten die anderen Teilregionen der Großregion deutlichere Zuwächse zwischen +15,6 % in Luxemburg und mit rund +17 % gleichauf Lothringen und die Wallonie.

Berücksichtigt man hingegen nur die Vorjahresentwicklung (2020-2021), sind größere Unterschiede zu beobachten. Besonders die privaten Haushalte in Lothringen profitierten von einem beschleunigten Anstieg ihres verfügbaren Einkommens mit Steigerungen von über 8 Prozent, während in der Wallonie (3,7 %) und den beiden deutschen Teilregionen der Anstieg moderater ausfiel und im Saarland bei 2,6 % und in Rheinland-Pfalz bei 2,0 % lag. In Luxembourg stagnierte das Pro-Kopf-Einkommen in dieser Hochphase der Gesundheitskrise 2020/21.

 

Die Armutsgefährdungsquote - ein Indikator, der auf der Ebene der Großregion mit Vorsicht zu analysieren ist

Die Armutsgefährdungsquote wird anhand der Einkommensverteilung nach Sozialabgaben berechnet. Der Median dieser Verteilung bezeichnet den Wert, der die Bevölkerung in zwei gleich große Teile teilt. Der Einkommensmedian entspricht somit dem Einkommen, bei dem die Hälfte der Bevölkerung einen niedrigeren monatlichen Lebensstandard und die andere Hälfte der Bevölkerung einen höheren monatlichen Lebensstandard hat. Somit ist die Armutsgefährdungsschwelle erreicht, wenn maximal 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen (medianes Nettoäquivalenzeinkommen).

Innerhalb der Großregion sind diese nationalen Grenzwerte sehr unterschiedlich: In Frankreich liegt 2022 die Armutsgrenze bei 1.216 Euro [INSEE]; in Deutschland (2023) ist eine Person von Armut bedroht, wenn ihr monatliches Einkommen weniger als 1.312 Euro [Destatis] beträgt. In der Wallonie liegt diese Schwelle bei 1.450 Euro [IWEPS] und in Luxemburg schließlich beträgt der Wert 2.400 Euro [STATEC].

Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, dessen Lebensstandard weniger als 60% des nationalen Medianeinkommens (nach Sozialabgaben) beträgt. Sie ist der wichtigste Indikator für die Messung der Einkommensarmut. Zudem handelt es sich um einen relativen Indikator, der den Lebensstandard einer Person mit dem der übrigen Bevölkerung vergleicht. Beim Vergleich der Teilgebiete der Großregion ist daher große Vorsicht geboten, da die dargestellten Werte mit dem Lebensstandard im Rest des Landes in Verbindung stehen. Die Armutsgefährdungsquote gibt einen Hinweis auf die Stellung der Bevölkerung in der Einkommensverteilung auf nationaler Ebene, sagt aber nicht zwingend etwas darüber aus, ob die betreffenden Personen im absoluten Sinne arm sind.

Armutsgefährdungsquote 2021

Anteil der Personen (in %), deren verfügbares Äquivalenzeinkommen weniger als 60% des landesweiten Medians des verfügbaren Äquivalenzeinkommens (nach Sozialabgaben) der Bevölkerung beträgt, und Veränderungen (in Prozentpunkten) zwischen 2017 und 2021 (in rosa)

Berechnungen: IBA-OIE  | Quellen: Rheinland-Pfalz, Saarland: Destatis, Mikrozensus Deutschland (Erstergebnisse Mikrozensus 2023) ; Lorraine: INSEE-DGFIP-Cnav-Cnaf-CCMSA, Fichier localisé social et fiscal (Sozial- und Steuerdatenbank) ; Wallonie: Statbel (Direction générale Statistique - Statistics Belgium) EU-SILC (Gemeinschaftliche Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen), Berechnungen des IWEPS ; Luxemburg: Eurostat (Zeitreihenbruch 2022, 2021, 2020) ; EU-27: Eurostat (Zeitreihenbruch 2020)

Knapp 17% der Bewohner der Großregion leben an der Armutsgrenze

Im Jahr 2021 haben auf dem Gebiet der Großregion 16,6% der Einwohner ein verfügbares Einkommen von weniger als 60% des Medianeinkommens ihres jeweiligen Landes.

In der Wallonie leben 17,3 % der Bevölkerung unterhalb der Risikoschwelle für Einkommensarmut im Jahr 2021. Im Vergleich dazu liegt diese Quote in Flandern bei weit unter 10 % und in der Region Brüssel-Hauptstadt bei unter 30 %. Diese Schwankungen deuten auf starke Einkommensunterschiede auf nationaler Ebene hin. Darüber hinaus gibt es innerhalb der Wallonie selbst deutliche Unterschiede zwischen den Provinzen. [1]

In Lothringen liegt die Risikoquote für Einkommensarmut in 2021 bei 15,5 %. Dieser Anteil steht für rund 360.480 Personen, deren Einkommen in 2021 unter der monatlichen Einkommensgrenze liegt. Auf nationaler Ebene beträgt diese Quote 14,9 %. [2]

In den Bundesländern Saarland und Rheinland-Pfalz liegt der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der Einkommensarmutsgefährdungsschwelle lebt, im Jahr 2021 bei 17,6 bzw. 17,0 %. In Deutschland leben 16,8 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Auch hier sind zwischen den Bundesländern große Einkommensunterschiede zu beobachten. [3]

In Luxemburg liegt der Anteil der von Armut bedrohten Bevölkerung 2021 bei 18,1%. Aus historischer Sicht ist die Armutsgefährdungsquote 2021 im Großherzogtum die höchste, die jemals im Land verzeichnet wurde. Die stetige Zunahme der Armutsgefährdungsquote in Luxemburg seit 1996 setzt sich weiter fort: der Anteil der Personen, deren Lebensstandard weniger als 60% des Medianeinkommens beträgt hat von 2017 bis 2021 um 2,6 Prozentpunkte zugenommen. Eine der Erklärungen, die von der luxemburgischen Arbeitnehmerkammer (CSL) angeführt wird, ist der Rückgang der Wirkung von Sozialtransfers bei der Vermeidung von Prekarität. [4]

Die Entwicklungen der Armutsgefährdungsquote in den anderen Teilregionen sind dagegen mit großer Vorsicht zu beobachten, da sie weiterhin innerhalb der Vertraulichkeitsintervalle liegen.

 

[1] Detaillierte Zahlen zu Haushaltseinkommen und Armut in Belgien und der Wallonie für das Jahr 2023 sind auf der Website des IWEPS verfügbar: « Taux de risque de pauvreté » https://www.iweps.be/indicateur-statistique/taux-de-risque-de-pauvrete/   (08.01.2025)

[2] Detaillierte Zahlen zu Haushaltseinkommen und Armut in Frankreich im Jahr 2022 sind auf der Website des INSEE verfügbar: « En 2022, 9,1 millions de personnes vivent sous le seuil de pauvreté monétaire. » https://www.insee.fr/fr/statistiques/5759045#tableau-figure1_radio2  (08.01.2025)

[3] Detaillierte Zahlen zu Haushaltseinkommen und Armut in Deutschland im Jahr 2023 sind auf der Website des DESTATIS verfügbar: „Gefährdung durch Armut oder soziale Ausgrenzung (MZ-SILC)“ https://www.statistikportal.de/de/sbe/ergebnisse/einkommen-armutsgefaehrdung-und-soziale-lebensbedingungen/gefaehrdung-durch-armut#tabellen  (08.01.2025)

[4] Vgl. Chambre des salariés Luxembourg (2024) : Panorama social 2024. (S.25ff). | Detaillierte Zahlen zu Haushaltseinkommen und Armut in Luxemburg im Jahr 2023 sind auf der Website des STATEC verfügbar: „Le taux de risque de pauvreté atteint 19 % de la population en 2023.“ https://statistiques.public.lu/fr/actualites/2024/stn23-24-silc.html#_ftn2  (08.01.2025)

 

Die Verringerung des Risikos von Armut oder sozialer Ausgrenzung als eines der Ziele der Europäischen Union bis 2030

Die Europäische Union hat in ihrer Strategie für 2030 mehrere Ziele festgelegt, die ehrgeizig sind und sich in den Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte einfügen.

Das erste Ziel bezieht sich auf die Beschäftigungsquote: Bis 2030 hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, dass mindestens 78% der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren eine Beschäftigung haben sollten. Lebenslanges Lernen wird im Zusammenhang mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger. So sollen bis 2030 jährlich mindestens 60% der Erwachsenen an Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Das letzte Ziel betrifft die Verringerung der Armut: Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen soll bis 2030 um mindestens 15 Millionen sinken.

Das Risiko, von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen zu sein, umfasst mehrere Indikatoren:

  • Einkommensarmut, d. h. der Anteil der Bevölkerung, dessen Lebensstandard unterhalb der Armutsgrenze liegt, die auf 60% des nationalen Medians des verfügbaren Äquivalenzeinkommens (nach Sozialabgaben) festgelegt ist.
  • Materielle Entbehrung", bestehend aus Indikatoren, die sich auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, langlebige Güter, Wohnraum und Wohnumfeld beziehen. Personen zählen zu einer Situation ernsthafter materieller Entbehrung, wenn vier der neun Indikatoren auf sie zutreffen: Unmöglichkeit 1) die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen zu bezahlen, 2) die Wohnung angemessen zu heizen, 3) unvorhergesehene Ausgaben zu decken, 4) jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder ein proteinhaltiges Äquivalent zu essen, 5) eine Woche im Jahr außerhalb der Wohnung in Urlaub zu fahren, 6) ein Auto zu kaufen, 7) eine Waschmaschine zu kaufen, 8) einen Farbfernseher zu kaufen oder 9) einen Telefonanschluss zu bezahlen.
  • Sehr niedrige Arbeitsintensität bezieht sich auf Personen zwischen 0 und 59 Jahren, die in Haushalten leben, in denen die Erwachsenen im vergangenen Jahr weniger als 20% ihres Arbeitspotenzials gearbeitet haben